Eine Funktion vermissen viele Seminarleitende schmerzlich an BigBlueButton: das Einspielen von Musik, etwa während die Teilnehmer*innen eintrudeln. Welche Lösungsansätze gibt es dafür?
Nachtrag Dezember 2021: Es gibt inzwischen eine deutlich einfachere Lösung. Siehe Ende des Artikels…
Zwei Dinge kann ich vorab sagen: ich übernehme keine Verantwortung für verknotete Gehirnwindungen – der Absatz über “virtuelle Audiokabel” kann leicht für Verwirrung sorgen. Und zweitens: selbst wenn man all das gemeistert hat, darf man keine HiFi-Qualität erwarten. Für erstklassige Musikübertragung ist BigBlueButton schlicht nicht gemacht.
Zunächst mal diverse Ansätze, die vielleicht naheliegend erscheinen, aber höchstens mäßige Ergebnisse liefern:
- Mit dem Mediaplayer Musik auf dem eigenen Notebook abzuspielen führt nicht dazu, dass Teilnehmer*innen diese Musik hören. Grund dafür ist, dass in BigBlueButton (genauer gesagt: im Browser) die eigene Soundausgabe nicht als Audioquelle ausgewählt werden kann. Das ist vor allem eine Beschränkung des Browsers – nicht so sehr die von BigBlueButton.
- Manch einer hält schließlich verzweifelt mp3-Player oder Smartphone vors Mikrofon und spielt dort Musik ab. Funktioniert – klingt aber äußerst suboptimal.
Schon vielversprechender: ein externes Mischpult. Man schließt also Mikrofon und Audioquelle (z.B. das Smartphone) an ein Mischpult an und schickt das Summensignal ans Notebook. Neben einem Mischpult brauche ich dann auch noch eine USB-Soundkarte, die getrennte Buchsen für Mikrofon und Kopfhörer bereitstellt: am Eingang der USB-Soundkarte schließe ich das Mischpult an, am Ausgang Kopfhörer, über die ich die anderen Teilnehmer hören kann. Klarer Nachteil: nicht jeder besitzt diese Gerätschaften, geschweige denn will sie unterwegs mit sich führen.
Abhilfe versprechen zwei Tools mit ähnlichem Namen: Virtual Audio Cable sowie VB-Cable. Beide versprechen, das Zusammenmischen und Routen mehrer Soundquellen, was im vorangegangenen Absatz ein externes Mischpult erledigt, ins Notebook zu verlagern. Beide Treiberpakete gibt es für Windows; VB-Cable zusätzlich für MacOS.
Zunächst versuche ich mein Glück mit dem erstgenannten Tool. Herunterladen der kostenlosen Lite-Version (etwas weiter unten auf der Webseite) und Entpacken. Bei der Installation wurde ich gewarnt, dass Windows neu installierte Audiogeräte zum Standard macht, was eventuell nicht erwünscht ist. Tatsächlich wird das neu installierte “Kabel” zum Standardgerät, was dazu führt, dass meine Notebook-Lautsprecher außer Funktion sind:
Ein erneutes Setzen von “Lautsprecher/Kopfhörer” zum Standard scheint die Lösung, doch Halt – es geht besser! Mit diesem Schritt würde ich mich nämlich wiederum der Möglichkeit berauben, Musik an BigBlueButton zu schicken – und das ist ja unser Ziel.
Wir wählen also “Lautsprecher/Kopfhörer” aus, klicken auf den unscheinbaren Pfeil rechts neben der Schaltfläche “Als Standard” und wählen “Als Standardkommunikationsgerät”. Dadurch erhalten wir zwei Ausgabegeräte mit unterschiedlichen Rollen:
Allerdings ist es mir jetzt immer noch nicht möglich, eigene abgespielte Musik zu hören – sie wird ja ausschließlich ans virtuelle Kabel geschickt, nicht an meine Lautsprecher. Um dieses Problem zu lösen, wechsle ich auf die Registerkarte “Aufnahme”, wähle das virtuelle Kabel “Line 1” aus, öffne dessen Eigenschaften und dort wiederum die Registerkarte Abhören. Dort aktiviere ich die Option “Dieses Gerät als Wiedergabequelle verwenden” und wähle im darunterliegenden Feld meine Notebooklautsprecher:
Das klappt wohlgemerkt nur, wenn ich vorher “Standardgerät” und “Standardkommunikationsgerät” fein säuberlich voneinander getrennt habe. Andernfalls bekomme ich nur ein unendliches Echo zu hören.
Nun habe ich also ein Etappenziel erreicht: die Musik meines MediaPlayers steht sowohl für BigBlueButton als auch lokal zur Verfügung:
Einen kleinen Schönheitsfehler gibt es noch: die Lautstärketasten an meinem Notebook haben keinen Einfluss mehr auf den Pegel meiner Lautsprecher! Grund dafür ist, dass ich nun lediglich den Pegel des virtuellen Kabels verändere:
Die Lautstärkeregelung des virtuellen Kabels ist standardmäßig allerdings deaktiviert, weil das an anderer Stelle negative Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Die Anleitung schreibt dazu: “Like format conversion, volume control takes some CPU resources and affects sound quality. Use it only when really needed.”
Also komme ich, um den Pegel meiner lokalen Lautsprecher zu verändern, einstweilen nicht um einen Umweg herum: ich wechsle über das Lautsprechersymbol rechts unten kurzzeitig das Ausgabegerät, passe die Lautstärke nach Wunsch an und schalte dann wieder auf “Line 1” zurück:
Geschafft! Im Echotest von BigBlueButton kann ich nun die gewünschten Audiogeräte auswählen:
Zwischenziel erreicht:
- Ich höre die wiedergegebene Musik am eigenen Notebook.
- Die Konferenzteilnehmer hören die Musik ebenfalls.
- Ich höre die Konferenzteilnehmer über meine Notebooklautsprecher.
In meinen Tests hatte ich sehr unterschiedliche Erfahrungen mit der Audioqualität: von “überraschend gut” bis “stark verzerrt” war alles dabei. Netzwerkkabel statt WLAN kann hier entscheidende Besserung bringen. Als weiteren Tipp finde ich hier, die maximale Bitrate im “Virtual Audio Cable Control Panel” auf 44100 Hz zu beschränken, um zu vermeiden, dass innerhalb des Notebooks zwischen 48 und 44 kHz umgerechnet werden muss:
Was fehlt nun noch? Etwas ganz Entscheidendes: meine Konferenzteilnehmer können mich (meine Stimme) nicht hören. Denn die einzige Audioquelle für BigBlueButton ist ja derzeit das virtuelle Kabel, und das ist nicht mit meinem Mikrofon verknüpft. Um auch mein Mikrofon ans “virtuelle Kabel” anzuschließen, muss ich eine weitere Komponente aufrufen: den “Audio Repeater (Kernel Streaming)” – zu finden im Startmenü:
Im Audio Repeater wähle ich nun mein Mikrofon als “Wave in” sowie Virtual Cable 1 als “Wave out”. Wenn ich zuvor im VAC Control Panel die Bitrate auf 44,1 kHz gesenkt habe, muss ich auch hier die “Sample Rate” auf diesen Wert setzen:
Noch ein letzter Klick auf “Start” und – Heureka! Meine Teilnehmer hören mich und meine Musik gleichzeitig!
Mir diese Schritte zu erarbeiten und parallel dieses Tutorial zu schreiben hat mich drei Stunden Zeit und manches graue Haar gekostet. Zugegeben – laientauglich ist diese Lösung nicht. In Zoom – soviel muss ich der Ehrlichkeit halber sagen – ist dieses Problem mit einem einzigen Mausklick zu lösen. Der Preis, den man dafür bezahlt, ist eben die Installation des Zoom-Clients, während BigBlueButton gänzlich ohne Sotwareinstallation im Browser läuft. Mit dieser Anleitung sollte es der halbwegs ambitionierten Nutzer*in aber möglich sein, die nötigen Schritte in wenigen Minuten am eigenen Gerät nachzuvollziehen. Viel Erfolg!
P.S. Wenn du diese Anleitung erfolgreich umsetzen konntest und Virtual Audio Cable in irgendeiner Weise kommerziell einsetzt, ist es sehr fair gegenüber dem Softwareentwickler, die kostenlose “Lite”-Version durch eine bezahlte Lizenz zu ersetzen.
P.P.S. Es gibt ein Issue auf GitHub, das die Nachrüstung einer “Ein-Klick-Lösung” ähnlich Zoom vorschlägt und aktuell lebhaft diskutiert wird.
Nachtrag Dezember 2021: Inzwischen hat BigBlueButton eine Audio-Sharing-Option eingebaut, man kann sich die obenstehenden Verrenkungen also in vielen Fällen sparen. Das ganze klappt meiner Erfahrung nach allerdings nur mit Opera, nicht mit Firefox.
Audio Sharing ist in diesem Fall Teil der Funktion “Bildschirm teilen”:
Bei Firefox sieht der Dialog komplett anders aus und enthält keine Option, Audio zu teilen:
Die Funktion in Opera ist übrigens unabhängig von der Mikro-Stummschaltung: schaltet man das eigene Mikro stumm, hören die Teilnehmenden weiterhin das geteilte Audio.
Ein letzter Tipp: wer eigentlich nur Audio teilen möchte, ohne ein Bild zu teilen – etwa vor Beginn einer Veranstaltung, könnte das mit zwei Bildschirmen erreichen. Auf dem ersten läuft BBB, auf dem zweiten blendet man eine Präsentation im Vollbild ein, etwa mit einem Text wie “Gleich geht’s los”. Diesen Bildschirm teilt man anschließend gemeinsam mit dem Audio.