Abschied von Spamgourmet

Spamgourmet war über viele Jahre ein großartiger Dienst für Wegwerf-Emailadressen. Jetzt scheint es damit zu Ende zu gehen. Abschied und Überlegungen zu Alternativen.

Im August 2002 habe ich meine erste Adresse bei Spamgourmet erstellt. Die Idee ist, für jede Firma und jeden Dienst, bei dem ich mich registriere oder einen Newsletter abonniere, eine eigene Mailadresse zu generieren. So kann ich, wenn ich von einem Absender gegen meinen Willen Nachrichten bekomme, die Wegwerfadresse verfallen lassen, ohne dass meine Haupt-Adresse betroffen ist. In diesen zwanzig Jahren ist mir das mehrfach passiert: die Kundendatenbank eines Onlinehändlers gerät in die falschen Hände, und plötzlich bekomme ich Spam zugeschickt. Der schöne Nebeneffekt an Wegwerfadressen ist, dass ich ausmachen kann, wem meine Adresse abhanden gekommen ist. MyMuesli hat mir seinerzeit ein ansehnliches Wiedergutmachungs-Müslipaket geschickt, als ich ihnen ein solches Vergehen nachweisen konnte.

Spamgourmet hat(te) ein geniales System zum Generieren neuer Adressen: sie entstehen in dem Moment, wo ich sie zum ersten Mal nutze. Andere Dienste, wo ich jede Adresse erst manuell anlegen muss, bevor ich sie nutzen kann, waren mir immer zu umständlich. Was mir aber die meiste Zeit über nicht im Geringsten klar war: Spamgourmet war die ganze Zeit über ein Hobbyprojekt eines einzelnen Menschen, irgendwo in Nordamerika. Und ich war ziemlich betroffen, als ich 2019 las, dass dieser Mensch im Sterben liegt und den Dienst gewissermaßen mit ins Grab nehmen wird. Vielleicht ist es seiner Demut und Zurückhaltung geschuldet, dass ich mich nicht ein einziges Mal gefragt hatte, wer oder was hinter Spamgourmet steht. Es lief einfach immer tadellos.

Vom Regen in die…?

Nach dem ersten Schreck hatte ich hastig einige Mailadressen zu erine.email umgezogen – einem Dienst, der ein ähnliches Konzept anbietet. Als mir aufging, dass ich mich dort in eine ganz ähnliche Abhängigkeit von einer unbekannten Einzelperson begebe (diesmal irgendwo in Kanada…), habe ich das schnell wieder sein lassen. Kurz darauf gab es auch Hoffnung für Spamgourmet, als der Sohn des inzwischen verstorbenen Gründers sich bereiterklärte, den Dienst weiterzuführen.

Nun ist die Situation ähnlich wie vor ein paar Jahren: seit Mitte Januar funktioniert die Mailzustellung nicht mehr zuverlässig, und das Forum ist voll von Spekulationen, woran das liegt. Von den neuen Betreibern ist kaum etwas zu hören. Für mich war das der Anstoß, mich diesmal ernsthaft nach einer Alternative umzusehen. Zwischendurch war ich auch dazu übergegangen, auf einer privaten Domain Wegwerfadressen anzulegen – aber wie gesagt: viel zu umständlich.

Schäfchen ins Trockene

Durch eine Supportanfrage bei mailbox.org, meinem privaten Mailprovider, stieß ich schließlich auf eine gangbare Lösung. Mailbox.org erlaubt sogenannte “Extensions” – aus ich@mailbox.org darf ich also ich+suspekte_firma@mailbox.org machen. Wie bei Spamgourmet “entsteht” diese Adresse, sobald ich sie nutze, und ich darf unendlich viele solcher Extensions anlegen. Falls die so generierte Adresse in falsche Hände gerät, kann ich eine Filterregel erstellen, die Nachrichten verwirft, die auf diesem Weg eingehen.

Nun könnte man sagen: jaaa, aber wer das System kennt, kann sich ja immer noch ableiten, dass er bloß “+suspekte_firma” aus der Adresse streichen muss, um an deine echte Adresse zu kommen. Dem habe ich durchs Erstellen einer Aliasadresse einen Riegel vorgeschoben – davon darf ich bis zu 25 anlegen. Künftig werde ich mich also – um im Beispiel zu bleiben – mit auch_ich+suspekte_firma@mailbox.org bei neuen Diensten registrieren. Meine echte Adresse bleibt so verborgen.

Einziger Haken: ganz vereinzelt akzeptieren Formulare keine Mailadressen, die ein “+” enthalten. Und es gibt tatsächlich Newsletter, von denen man sich nur abmelden kann, indem man das “unsubscribe” von der Adresse schickt, die auf dem Mailverteiler steht. Aber gut – notfalls wird halt die Adresse gesperrt.

Nun habe ich bloß noch den langwierigen und mühsamen Prozess vor mir, aus über 600 Spamgourmet-Adressen diejenigen herauszufiltern, die ich tatsächlich noch nutze, und dort eine neue Adresse zu hinterlegen. Aber entspannen kann ich mich schon jetzt: ich bin guter Dinge, dass mailbox.org auch in zwanzig Jahren noch existiert.